Dies und das- Einladung in die Welt der Pflanzenfarben
Mörser und Rotkohl
Es war eher Zufall, dass ich zum Seminar „Pflanzen, Farben, Färbergärten“ nach Rheinland-Pfalz ins Naturerlebniszentrum Wappenschmiede in Fischbach reiste. Mit Krapp, Indigo, Färberginster und -kamille und all den anderen Pflanzen, mit denen man Wolle färben kann, fühlte ich mich bisher eigentlich gut versorgt – auch mit ausreichend Unwissen, um mich noch auf weitere Färbe- Experimente zu freuen. Aber Ines Jung von der „Fadenwerkelei“ wollte dieses Seminar sehr gern besuchen und suchte nach einer Mitreisenden. Sie sei so froh, dass sie dieses Seminar gefunden habe – das müsse man einfach mitgemacht haben.
Der Rotkohlsaft quillt
Ich lasse mich in solchen Fällen gern verführen – ich liebe es, den Woll-Kram mit all seinen Facetten damit zu verbinden, neue Gegenden kennen zu lernen. Die Wappenschmiede verprach mir das Erlebnis der malerischen Buntsandsteinlandschaft des Dahner Felsenlandes – das war mir Anreiz genug, mich anzumelden, alles zu bezahlen, ein bisschen auf den Seiten der Wappenschmiede zu stöbern – und das Ganze dann mehr oder weniger zu vergessen, denn zwischen Anmeldung und Seminar lagen mehr als sechs Monate. Als der Termin dann unmittelbar bevorstand, schaute ich doch noch einmal genauer hin. 837 km liegen zwischen Rostock und Fischbach in Rheinland-Pfalz, 8 ½ Stunden Fahrt „versprach“ der Routenplaner und ich dachte mir, dass die Dozierenden bei diesem Wochenend-Seminar sich schon ganz schön nach der Decke strecken müssten, damit sich eine solche Anreise lohnt. Dass es eher um das sinnvolle Anlegen eines Färbergartens und um Farben im weiten Sinne – also nicht ausdrücklich um das Färben von Wolle oder anderen Textilien – gehen würde, legte die Latte noch ein wenig höher. Na dann macht mal.
Bunt
Die malerische Buntsandsteinlandschaft ersoff im Regen, aber man hätte im Stockdunkeln, als wir ankamen, ohnehin nichts davon gesehen. Am kommenden Morgen begann der Kurs. Es war eine bunt gemischte Gruppe von Frauen und Männern aus unterschiedlichen Zusammenhängen angereist- überwiegend Lehrerinnen und Naturerlebnispädagogen. Ich fühlte mich ein wenig fehl am Platze. Ja, ich zeige auf dem Doberaner Klostermarkt oder auf dem Köhlerhof in Wiethagen gern anderen Menschen, was man mit Pflanzenfarben und Wolle alles anstellen kann – aber als „Multiplikatorin“ habe ich mich dabei noch nie gefühlt. Genau an diese richtete sich aber das Seminar laut Flyer.
Farbenspiel im Mörser
Als Peter Reichenbach mit einem Rotkohl unter dem Arm und einem ordenlichen Messer in der anderen Hand den Seminarraum der Wappenschmiede betrat, war ich wirklich gespannt. Der sollte es nun also schaffen, dass sich die Reise gelohnt haben würde. Innerhalb von Minuten legte sich meine Skepsis. Peter Reichenbach erzählte ein wenig von seinem Weg zu den Pflanzenfarben, die er als Malender erst entdeckt hatte, nachdem ihm sein Arzt vom weiteren Umgang mit Acryl- und anderen industriell hergestellten Farben abgeraten hatte – der Gesundheit wegen. Beim Sprechen hackte er den Rotkohl routiniert in kleinste Stücke, ließ uns an seiner Pflanzenfarben-Odyssee durch die ganze Welt teilhaben und als ich fand, dass ich nun auch gern mal zur Tat schreiten würde, war die Rotkohl-Pampe so weit fertig, dass wir mit Mörsern, Stoffstreifchen, Zitrone, Natron und Sumpfkalk selbst aktiv werden durften.
Mmmmh - so viele Pflanzenfarben
Isch abe Stoff gefärbt
Mustermalerei meiner Nachbarin
Es gibt so gut sortierte Menschen
Das soll schwarze Tinte werden
Es war ein überaus sinnliches Vergnügen, die violette Brühe aus dem Kohl-Mus zu pressen und sie auf einem weißen Teller mit Hilfe von Zitrone, Kalk und Natron in eine bunt schillernde Pfütze zu verwandeln. Rot, Grün und Blau finden sich in diesem Violett – vorhersehbare Biochemie und während des Tuns folgten Informationen über das Wie und Warum. Mindestens ebenso vergnüglich war es, die anderen Kursteilnehmer zu beobachten, wie sie Stoffe mit dem Pflanzensaft tränkten, ganz versunken mit Zitrone Muster malten und sich über ihre Erfolge freuten. Und dem Erzählen Peter Reichenbachs zu lauschen, der nach den ersten eigenen Experimenten inzwischen das Netzwerk „sevengardens“ initiiert hat – einen weltweiten Verbund von Menschen, die Farben aus Pflanzen herstellen und Färbergärten pflegen. Dem Rotkohl folgten Rote Bete, Malven- und Färberdistelblüten, eine Mischung aus Eisen und Granatapfel sollte schwarze Tinte ergeben – bei einigen klappte das, bei mir nicht. Meine Tinte war eher rostbraun.
Hm - na ja
Zusätzlich zu den Pflanzen und Farbschattierungen, die wir in zwei Seminartagen bewältigen konnten, inspirierte uns die von Peter Reichenbach angelegte Mappe mit Pflanzen- und Farbportraits. Wunderbar gezeichnet und sorgfältig beschriftet lag da vor uns, was wir uns noch erobern können, wenn wir am Thema Pflanzenfarben dran bleiben. Die Kornblume war mein Favorit. Auf Wolle sollen die Blütenblätter ein Grün ergeben, wusste ich – ich hab's noch nicht ausprobiert, weil mir die Aufgabe, einen nennenswerte Menge von Blütenblättern zu sammeln, in unserer Agrarlandschaft fast unmöglich zu bewältigen scheint. Auf dem Portraitblatt in Peter Reichenbachs Mappe ist ein wunderschönes Blau – Kornblumenblau eben – dokumentiert – für die Malerei. Da reichen weitaus geringere Mengen Blütenblätter für ein Experiment. Aber auch Rose, Lavendel, Erdbeere … eigentlich fast jede Pflanze lässt sich ihre Farbstoffe entlocken und aufs Papier bannen. (Zum Nachlesen gibts das Buch „Farbstark mit sevengardens“, geschrieben von Irmela Erckenbrecht und Peter Reichenbach, erschienen im pala Verlag.)
Meine Beute
Von der „Malerischen Buntsandsteinlandschaft des Dahner Felsenlandes“ habe ich an dem Kurswochenende kaum etwas gesehen. Wenn wir uns von Tigeln und Mörsern trennten, war es dunkel und es goss auch weiter in Strömen. Nur gerochen habe ich den nassen Pfälzer Wald bei meinen abendlichen Spaziergängen. Aber eine Welt von Farben hat sich vor mir ausgebreitet und ich erhielt eine Ahnung davon, mit wie vielen Menschen überall auf der Erde ich diese Erfahrung teile. Fürs Wolle- oder überhaupt Textilfärben sind nur Bruchteile dessen, was da vermittelt wurde, nutzbar. Ich kann mir aber vorstellen, mit den Gästen beim Schaufärben auch mal die „Nummer mit dem Rotkohl“ (Zitat P. Reichenbach) auszuprobieren – oder eine andere Pflanzenfarbe herzustellen. Denn beim Färben von Wolle passiert das Wunder im Topf und ist schwer zu beobachten.